Törnbericht Schleimünde-Anholt Challenge 2016

Vorbereitungen

Einhandsegeln, 24 Stunden lang, irgendwohin, das war mein Plan für 2016, quasi als Vorbereitungstörn für das Silverrudder im nächsten Jahr. Da kam es mir gerade recht, als ich von den Plänen einer Challenge von Schleimünde nach Anholt auf Facebook gelesen hatte.

Schnell war der Entschluss gefasst und ich Mitglied in der gegründeten Facebook-Gruppe, die extra dafür organisiert wurde.

In der Vorbereitung darauf wurde noch einige Modifikationen am Boot (Swanti, eine Naver 29, Baujahr 1979, Yardstick 109) vorgenommen, damit das Schiff auch halbwegs einhandtauglich gesegelt werden kann. Die wichtigsten Fallen und Leinen wurden ins Cockpit umgelenkt, selbstholende Winschen ergänzt und auch an der Elektronik musste noch etwas gefeilt werden. Nicht verkehrt, bedenkt man die oftmals strapaziösen Wind-und Wellenbedingungen im Kattegat. Meine Erinnerungen an Anholt sind sehr verblasst. Irgendwann in den 70ern machten wir mit der vereinseigenen Jugendyacht Sventana (50er Seefahrtskreuzer des SVS in Kiel,) eine Törn dorthin. Aber das sind eher Kindheitserinnerungen.

Irgendwas mit 24 bis 30 Stunden hatte ich für die Challenge veranschlagt, nicht wissend um das Potenzial der Naver 29 gerade bei Starkwindbedingungen.

Einige Wochen vor dem Start fragte mich mein Clubkamerad Kai, ob nicht noch Platz für ihn wäre. Die Entscheidung darüber viel mir zwar etwas schwer, war ich es doch gewohnt möglichst viel allein zu segeln, aber eine zusätzliche Hand an Deck und gleichzeitig zuverlässiger Rudergänger wäre schon eine große Hilfe. Man muss ja nicht immer alles alleine machen 😉

So machten Kai und ich uns auf den Weg nach Schleimünde.

Samstag Mittag um 12 Uhr legen wir vom Steg des Segelclub Ahoi in Schleswig ab. Erstes Etappenziel war Arnis. Einsetzender starker Regen lies uns jedoch am Ahoi-Steg in Missunde festmachen. Erst am Sonntagmorgen sollte es dann direkt nach Schleimünde gehen. Dort trafen wir uns mit Anette, Jan und Arne, die ebenfalls die Challenge mit ihrem schicken Boot bestreiten wollten. Sundowner zum atemberaubenden Sonnenuntergang machten den Sonntag perfekt.

Schleimünde – letzte Vorbereitungen

 

Der Start

Am Montagmorgen um 10 Uhr war es dann soweit. Pünktlich zum Start versammelten sich 18! Boote jeglicher Couleur, vom Trimaran bis zum 20 Fuß „langen“ Mantra 6 war alles an der Ansteuerungstonne Schleimünde vertreten.

Jedes Schiff und jede Crew startete eigenverantwortlich.

Entsprechend der Windvorhersage, Wind aus SW mit max 22 Knoten, war unser Plan den Langelandbelt hinaufzufahren, um dort mit Halbwindkurs in den Großen Belt und dann weiter ins Kattegat direkten Kurs auf Anholt zu nehmen. Nordsetzender Strom sollte unsere Fahrt beschleunigen. Plan B sah die Route über den kleinen Belt vor. Allerdings wollten wir uns auf möglichst wenige Manöver beschränken und möglichst freien Raum um uns herum haben.

Das Gros des Feldes entschied sich für die Route durch den kleinen Belt. Wir folgten dem Trimaran, der sich jedoch schon nach kurzer Zeit aus dem Staub machte. Allenfalls auf dem AIS konnten wir ihn noch eine Zeitlang verfolgen. Mit achterlichem Wind, ausgebaumter Genua und 1. Reff im Großsegel haben wir um 13:15 Uhr Dovns Klint gerundet und segelten dann mit fast halben Wind den Langelandbelt hinauf. Schiebestrom mit bis zu 1,7 Knoten beschleunigte die Fahrt erheblich. Dicht unter der Küste bei null Welle, mittlerweile mit ausgerefftem Großsegel, fühlten wir uns wie auf einer 3-spurig ausgebauten Autobahn, natürlich immer die linke Spur benutzend 

Für Kai war es eine kleine, aber wohltuende Atempause, denn schon auf dem Weg nach Langeland hatte er mit Übelkeit zu kämpfen.

Kurz vor 19 Uhr, unweit der Großen Belt Brücke, setzte der Wind noch einen drauf. Es blies mit bis zu 30 Knoten, so dass wir kurz nach Brückendurchfahrt um 19:45 Uhr das 1. Reff wieder einbinden mussten. Entgegen unserer Planung hatten wir die Brücke bereits 3 Stunden früher passiert, so dass wir mit einer Ankunft auf Anholt bereits am frühen Vormittag rechnen konnten. So richtig glauben wollten wir es aber nicht.

Kai am Ruder kurz nach dem Start

 

Halbzeit

Leider wurden die Wellen höher, steiler und konfuser. Eine unangenehme Kreuzsee bildete sich, als der Wind urplötzlich und entgegen der Vorhersage zu früh auf West bis West-Nordwest drehte. Das machte Kai wieder sehr zu schaffen. Aber selbst die Momente, in denen er das Ruder kurz übernehmen konnte, waren eine riesige Hilfe, auf die ich nicht verzichten mochte. Regen und überkommende, sich brechende Wellen ließen den Komfortpegel ebenfalls drastisch nach unten sinken.

Bis nach Rosnaes musste dann bei 22 Knoten Wind aus 280 Grad ein Am-Wind-Kurs gesegelt werden. Um 23:30 Uhr war auch dieser Wegpunkt hinter uns und wir konnten nun auf einen direkten Kurs nach Anholt abfallen. Die Nacht setzte ein, aber es blieb Richtung Norden, dank aufklarendem Himmels, immer hell genug.

Nach endlosen Stunden an der Pinne setzte bedingt durch Nässe, Kälte und Anstrengung die Müdigkeit ein. Zeit um Karl, meinen Autopiloten das Ruder zu überlassen. Zuverlässig und anspruchslos verrichtete er seinen Job. Kai war auch wieder in der Lage Karl etwas auf die Finger zu schauen, so dass ich mich beruhigt zwei Stunden schlafen legen konnte.

Store Belt Bro frühzeitig passiert

Dunkelheit? Nicht am Nordhimmel

Ankunft

Eine Stunde vor Erreichen der ausgemachten Zieltonne, nahm der Wind dann spürbar ab. Wir bereiteten uns auf die Ankunft vor, und um 08:55 Uhr überquerten wir die imaginäre Ziellinie 

Wer hätte das gedacht, in etwas weniger als 23 Stunden nach Anholt mit unserem alten Schiff, mit aufgebrauchter Crew, kurz vor dem Kältetod, kurz vor der Dehydrierung…und es ist nichtmal etwas kaputt gegangen.

Um 09:45 Uhr waren die Leinen fest. Zum Frühstück gab es für die Skipperin ein Bier und für die Crew eine Scheibe Schwarzbrot, trocken, um wieder auf die Beine zu kommen.

Früher Morgen auf Anholt

Party

Nach ausgiebigem Schlaf bis in die Nachmittagsstunden hinein, trafen sich alle bisher angekommenen Crews, und das waren zu diesem Zeitpunkt immerhin 16 von 17 Schiffen (ein Boot musste leider aufgeben), auf dem Grillplatz. Der Hafenmeister hatte den Grill schon befeuert Endlich konnten wir auch die anderen Teilnehmer kennenlernen, die sich vor Start in Olpenitz getroffen hatten. Es wurde sich rege über die Erlebnisse ausgetauscht, neue Bekanntschaften und Freunde gefunden so wie manches Glas Wein oder Bier geleert. Zwischenzeitlich konnte auch das letzte noch fehlende Boot ausgemacht werden, dass sich in der Ansteuerung auf Anholt befand; die Mantra 6 von Tom mit nur 20′ Länge wurde herzlichst von einem Empfangskomitee auf der Außenmole bejubelt und begrüßt. Hochachtung vor dieser Leistung in einem quasi offenem Boot, Einhand diese Challenge auf sich zu nehmen und erfolgreich zu beenden.

Erst weit nach Mitternacht kehrte wieder Ruhe im Hafen ein.

Fazit:

War es eine Challenge, also eine wirkliche Herausforderung?

Ja, ganz gewiss. Für Kai insbesondere, da für ihn die Sterne aufgrund der Seekrankheit eher ungünstig standen, aber auch für mich, da ich alleine sicherlich weit über meine Grenzen hätte gehen müssen. Man ist eben keine 20 mehr 

Aber auch ohne das war es herausfordernd, weil die Ziele hochgesteckt waren. Wind, Welle, Hitze (ja die gab es wirklich den Langelandbelt hinauf), Regen, Kälte, die eingehende Törnplanung, die Organisation (ganz herzlichen Dank an Wolle und Jan!), all das musste bewältigt werden. Und schlussendlich ging es auch darum das Schiff und die Crew heil nach Anholt zu bringen.

Wir sind froh dabeigewesen zu sein und um einen Erfahrungsschatz reicher. Das Potential der Naver 29 ist gar nicht soooo schlecht. Viele der moderneren Boote, höher ge-rated und auf dem Papier in jedem Fall schneller als wir, sind nach uns eingetroffen. Selbst der Gewinner der Challenge, der Trimaran Stella (nochmals herzlichen Glückwunsch! Mein nächstes Boot hat auch Liegestühle im Cockpit, so lässt es sich aushalten , hat uns nur etwas mehr als 4 Stunden auf 150 Seemeilen abgenommen.

Wenn das Ziel und die Urlaubsplanung im nächsten Jahr passen, sind wir sicherlich wieder dabei. Wir freuen uns auf Euch!

Statistik:

Gesegelte Zeit: 22 Stunden 55 Minuten

Gesegelte Meilen über Grund: 150,1

Gesegelte Meilen durchs Wasser: 147,6

Max. Speed: 10,7 Knoten

Min. Speed: 4,9 Knoten

Average Speed: 6,52 Knoten

Max. Wind: 31 Knoten

Min. Wind (vor Anholt wurde es flau): 11 Knoten

Segelmanöver: eine Halse direkt hinter Dovns Klint

Reffmanöver: 3

Nass geworden: ständig

Sonnenuntergänge: 1

Sonnenaufgänge: 1

Mondaufgänge: 1

Monduntergänge: verschlafen

In der Yardstick Wertung belegten wir den 4. Platz. Sehr beachtlich wenn man bedenkt „gegen“ welche Schiffe wir gesegelt haben. 

SY Swanti

Stefanie und Kai

ps. wir warten jetzt auf günstigen Wind, um über den Öresund nach Rügen zu kommen. Danach soll es dann nach Crewwechsel weiter nach Klaipeda und auf die Kurische Nehrung gehen.

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